Audi 100 Coupé – Selten schön

Das Coupé bezeichnet die vollkommenste Karosserieform, die ein Automobil tragen kann. Die große Mehrheit der Schön(st)en Autos dieser Welt sind Coupés und zugleich treibt ihre Bauform das Fahren zum Selbstzweck, das Nutzwertreduzierte, das Vergnügliche das für viele Enthusiasten zum Autofahren gehört, auf die Höhe.Bei der (wiederbelebten) Marke Audi mangelte es an einem solchen Fahrzeug, das übersteigerten Selbstzweck mit reduzierter Brauchbarkeit kombiniert. Aber als Audi Ende der Sechziger den Audi 100 Typ C1 und etwas später das 100 Coupé S präsentiert, markierte das den Aufbruch in ein neues Zeitalter.

Eigentlich wollte Heinrich Nordhoff, seit 1960 Vorstandsvorsitzender der Volkswagenwerk AG – die wiederum seit 1968 alleinige Inhaberin der Audi NSU Auto Union AG ist – die Werkanlagen in Ingolstadt nutzen, um weitere Produktionskapazitäten für den VW Käfer zu schaffen. Die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs war Audi strikt untersagt worden. Aber ein Mann – Ludwig Kraus – widersetzte sich dieser Order. Kraus, von 1963 bis ’69 Technischer Direktor, dann bis 1973 Technikvorstand von Audi, ließ mit einem kleinen Team, an der Weisung Nordhoffs vorbei, ein neues Fahrzeug entwickeln: den ersten Audi 100. Der wurde 1968 präsentiert und mit über 800.000 verkauften Fahrzeugen für die Marke Audi zu einem vollen Erfolg. Doch Kraus gab sich mit der gelungenen Limousine nicht zufrieden, er wollte die Modellpalette um ein Coupé ergänzen, auch um selbst ein entsprechendes Fahrzeug aus eigenem Hause fahren zu können. Kraus hatte ziemlich klare, italienisch inspirierte Vorstellungen von “seinem” Coupé und ließ diese von Hartmut Warkuß umsetzen – und der lieferte eine Fließheckkarosserie, die den Aerodynamiker Wunibald Kamm stolz gemacht hätte und mit ihrer Eleganz in Deutschland keine Konkurrenz zu fürchten hatte. In Italien wäre das Coupé S in Gesellschaft von Maserati Ghibli oder Indy stylistisch bestens aufgehoben gewesen.

Eine respektable Leistung, gilt es doch, zu bedenken, daß die technische Basis von der zwar modernen aber eher kühlen 100er Limousine stammt und die Umformungsarbeiten irgendwo auf halbem Weg zwischen A- und B-Säule begonnen haben. Am Ende war die Karosse des Coupés zwei Zentimeter breiter und drei Zentimeter flacher als die Limousine. Und natürlich ist das Coupé auch kürzer, der Radstand wurde um 115 auf 2560 Millimeter gekürzt, insgesamt misst es rund 4,40 Meter, die Limousine hingegen etwas 4,64 Meter.

Aber der Limousine wurde nicht nur ans Blech geflickt. Zwar steckt auch in dem flotten Zweitürer der um 40 Grad nach rechts geneigte Längsmotor, allerdings wurde der Hubraum des Vierzylinders auf 1871 ccm aufgebohrt und leistet in Kombination mit zwei Fallstrom-Registervergasern 115 PS. Auch kam das Coupé serienmäßig mit Viergang-Mittelschaltung, die war in der Limousine nur gegen Aufpreis an Stelle der Lenkradschaltung zu haben. Darüber hinaus wurde der Durchmesser der innenliegenden Scheibenbremsen im Durchmesser vergrößert. Äußerlich bekam das Coupé runde Doppelscheinwerfer – das galt damals als besonders sportiv – sowie ein Abgasanlage mit zwei Endrohren. Und der sportliche Anspruch war nicht völlig abwegig sondern bei den Fahrleistungen des Autos völlig gerechtfertigt: Null-Hundert-Sprint in 11,5 Sekunden (Werk) und eine Höchstgeschwindigkeit um 185 km/h waren Ende der Sechziger Jahre eine deutliche Ansage. Zu seinen guten Fahrleistungen verhalf dem 100 S auch sein relativ geringes Leergewicht von unter 1100 Kilo, hier zeigt sich die Handschrift Ludwig Kraus’, der sich als Maschinenbauer dem Leichtbau verpflichtet fühlte.

Für das Modelljahr 1972 wurde der Doppelvergaser durch einen einfachen Registervergaser ersetzt, die Leistung sank auf 112 PS. Ab dem Sommer ’73 bekamen Kunden auf Wunsch eine Servolenkung und ein Jahr später wurden Automatikgurte und Kopfstützen zum Teil der Serienausstattung. Ebenfalls 1974 wurden die Scheibenbremsen nach außen, also an die Radaufhängung verlegt. 1976 endete nach knapp über 30.600 verkauften Fahrzeugen die Produktion des 100 Coupé S, einen Nachfolger gab es aufgrund der geringen Stückzahl nicht. Ursächlich für den schlechten Absatz waren zum einen der hohe Listenpreis – der stieg von 1970 bis 1976 von 14.400 auf 19.365 D-Mark, für etwa 4000 D-Mark weniger gab es zeitgleich auch noch eine ebenfalls schick gezeichnete zweitürige Limousine des Audi 100; einige Kunden, die in dieser Preisklasse Autos kauften hegten zudem ihre Dünkel und wollten keine oberklassiges Coupé von Audi kaufen; weiters machte die mangelnde Vollgasfestigkeit, die zu Motorschäden führte dem Absatz des ziemlich sportlich geratenen Wagens zu schaffen.

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